Sunday, May 07, 2017

Berlin Breitscheidplatz: das Dashcam Video ist Fake News - bestätigt


In den zwei letzten Beiträgen (hier und da) habe ich schon auf den dubiosen Charakter des Dashcam-Videos hingewiesen, wofür vor allem die Anonymität, der unmotivierte Schnitt und die unsäglich schlechte Bildqualität stehen. Beide Artikel basieren aber ansonsten auf der Annahme, dass über diese peripheren Bearbeitungen hinaus keine konkreten, "chirurgischen" Eingriffe ins Bildmaterial vorgenommen wurden (dass also etwa der LKW an bestimmten Stellen hineinkopiert wurde). Von dieser Annahme ausgehend kam ich zu dem Schluss, dass der LKW auf der Strasse bleibt und nicht über den Weihnachtsmarkt fährt.

Die Annahme ist nicht mehr haltbar, mit anderen Worten: es hat wohl konkrete Manipulationen am Bildmaterial gegeben. Ich habe zwei frames (Standbilder) isoliert. Eines davon schliesst die Möglichkeit aus, dass der LKW auf den Weihnachtsmarkt fährt, das andere schliesst aus, dass er auf die Budapester Strasse fährt. Conclusio: es wurde gefälscht.

Der Nachweis läuft dergestalt: es gibt im Dashcam-Video eine Reihe von vertikalen Landmarken wie Laternen, Ampeln, Weihnachtsbäume und Ecken von Gebäuden oder Buden. Wenn der LKW an so einer Landmarke vorbeifährt, lässt sich seine Position eingrenzen auf die Sichtlinie zwischen Dashcam und Landmarke. Das Prinzip habe ich bereits in meinem letzten Artikel erläutert. Der LKW verfügt ausserdem selbst über drei im Video erkennbare vertikale Marken, nämlich die rechte Vorderkante sowie die rechte und linke Hinterkante.

Mit Hilfe zweier (oder mehr) Landmarken lässt sich nun der Abstand zwischen rechter Vorder- und Hinterkante, also die Länge des LKW, recht gut abschätzen. Diese war real 16,5 Meter, was sich natürlich im Satellitenbild wiederfinden sollte. Und hier liegt das Problem.

In diesem Standbild...



...ist die rechte Vorderkante des LKW unsichtbar, weil durch den Weihnachtsbaum verdeckt. Dieser stellt also eine Landmarke dar, mit deren Hilfe man die Position der Vorderfront eingrenzen kann. Entprechendes gilt für die Fussgängerampel mitten auf der Kantstrasse (erkennbar an dem dreieckigen "Vorfahrt beachten"-Schild auf der Spitze), die genau auf einer Linie mit der rechten Hinterkante des LKW liegt. Das führt zu folgendem Diagramm:


Hierbei repräsentieren gelbe Punkte Landmarken wie Laternen, Ampeln oder Gebäudeecken, gelbe Rechtecke Buden vom Weihnachtsmarkt und grüne Rauten die pyramidenförmigen Weihnachtsbäume. Das rote Rechteck repräsentiert die Position des LKW, falls er auf den Weichnachtsmarkt gefahren wäre. Diese lässt sich relativ genau bestimmen, weil die enge Einfahrtschneise wenig Spielraum lässt.

Die rechte Hinterkante des LKW liegt auf einer Sichtlinie mit der Fussgängerampel F1 und der Ecke des flachen Bikini-Vorbaus. Mit einer Länge von 16,5 Metern müsste das Führerhaus dann im Standbild sichtbar sein, den Weihnachtsbaum W1 passiert und die Sichtlinie zur Fussgängerampel F2 (gestrichelt) erreicht haben. Da das nicht der Fall ist - der LKW müsste etwa 3 Meter kürzer sein, um dem Standbild gerecht zu werden - dokumentiert das Standbild, dass er nicht auf den Weihnachtsmarkt gefahren ist. Was es dagegen möglich erscheinen lässt, ist ein Einbiegen in die Budapester Strasse (blaue Rechtecke).

Mit der Unschärfe des Videos oder des Satellitenbildes oder grafischen Ungenauigkeiten lässt sich die krasse 3-Meter-Diskrepanz im übrigen nicht erklären. Eine minimale Verschiebung der Sichtlinien würde an der Beweisführung nichts ändern.

Ein paar Zehntelsekunden später ist dieses Standbild entstanden:


Das schwarze Quadrat umfasst die Bude an der Ecke, mit der Leuchtleiste an der Dachkante und der kranzförmigen Zierbeleuchtung auf dem Dach. Der LKW fährt gerade hinter dieser Bude vorbei. Das erkennt man daran, dass er ein Licht verdeckt, das im vorherigen Standbild noch sichtbar ist:


Es wird an dieser Stelle vorübergehend dunkler, und die Dauer dieser Abdunklung entspricht genau der Geschwindigkeit des LKW. Das Licht scheint durch die vordere und rechte Seite der Bude hindurch und muss von der Bude gegenüber stammen - die ja tatsächlich hell erleuchtet war, wie man von diversen Videos weiss. Die folgende Grafik illustriert die Situation:



Die rechte Hinterkante des LKW liegt diesmal auf einer Sichtlinie zum Bikini, zu einem Punkt etwas rechts von der Ecke des Hauptgebäudes. Sobald der LKW die Sichtlinie durch die Fussgängerampel F2 überschreitet, beginnt er die Beleuchtung der gegenüberliegenden Bude zu verdecken. Dieses Standbild wirft also für eine Auffahrt auf den Weihnachtsmarkt keine Probleme auf - wohl aber für ein Einbiegen in die Budapester Strasse, erstens weil der LKW die Beleuchtung nicht verdecken würde, und zweitens, weil er mit seiner Vorderfront noch weit entfernt von der F2-Sichtlinie wäre. Diesem Standbild nach ist der LKW also nicht auf die Budapester Strasse gefahren.

Da ausser Weihnachtsmarkt und Budapester Strasse keine anderen Fahrtrouten denkbar sind, heisst das, dass die beiden Standbilder sich widersprechen. Dann muss aber an mindestens einem von beiden eine konkrete Fälschung vorgenommen worden sein, womit das Dashcam-Video als Fake News entlarvt ist.

Das hat weitreichende Konsequenzen. Der Verdacht ist erhärtet, dass das Video gezielt angefertigt und verbreitet wurde, um eine bestimmte Version der Ereignisse - nämlich dass der LKW, von der Hardenbergstrasse kommend, auf den Weihnachtsmarkt raste - im Bewusstsein der Menschen zu verankern. Das Video ist der einzige konkrete Hinweis für eine hohe Geschwindigkeit bei Auffahrt auf den Markt, und mit seiner Falsifizierung gewinnt das Szenario, dass der LKW langsam war, massiv an Plausibilität.

Eine weitere Konsequenz ist, dass auch anderen Details in dem Video nicht zu trauen ist - etwa der Uhrzeit 20:01, die die Gedächtniskirche anzeigt.




Dazu werde ich im nächsten Blog-Post Stellung nehmen.